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Ernüchternde Bilanz

vom 22. Dezember 2019 in Kategorie: Artikel

Zuvor hatte über ein Jahr ein Unterausschuss, angesiedelt beim Innen- und Europaausschuss des Landtages, zum Thema gearbeitet. Bereits früh zeichnete sich ab, dass dieses Gremium nicht die notwendigen Kompetenzen besaß, um relevante Akten einzusehen und Zeug*innen zu hören. So blieb es bei der Anhörung von Expert*innen, die den Parlamentarier*innen jedoch zahlreiche wichtige Hinweise gaben und zentrale Fragestellungen aufzeigten. Derart vorbereitet hätte der PUA eigentlich direkt nach der konstituierenden Sitzung am 24. Mai mit der inhaltlichen Arbeit beginnen können. Doch dazu kam es nicht. Zunächst bremsten Anforderungen an die Sicherheitsausstattung der genutzten Räume das Agieren des Ausschusses. Ausgerechnet der Verfassungsschutz, also jene Behörde, die zentraler Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist, verlangte nach Räumlichkeiten mit schusssicherem Glas und separaten Eingängen. Standards, die nicht ohne weiteres erfüllt werden können, in anderen Bundesländern so aber auch gar nicht gefordert wurden. So beschäftigte sich der Ausschuss in insgesamt sieben Sitzungen im Jahr 2018 weitestgehend mit Beweisbeschlüssen. Die Öffentlichkeit war dabei ausgeschlossen. 

Erst im Januar 2019 fand die erste Anhörung von Sachverständigen und damit die erste öffentliche Sitzung statt. Die Abgeordneten Dorothea Marx und Katharina König-Preuss berichteten vor gut gefüllten Besucher*innenrängen ausführlich von der parlamentarischen Aufarbeitung im Thüringer Landtag. Sie zeichneten dabei das Bild eines PUA, der seinen Auftrag tatsächlich ernst nimmt. So wären öffentliche Sitzungen dort an der Tagesordnung. Auch bestünden die Parlamentarier*innen auf ungeschwärzte Akten, denn sie besäßen das Recht und die Pflicht, behördliche Informationen einzufordern. Ähnliches hatten zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteur*innen im Vorfeld der Sitzung ebenfalls angemahnt. In einem Offenen Brief an Abgeordnete des hiesigen PUA forderten sie Transparenz durch öffentliche Sitzungen und ein zügiges Vorankommen.

Viele Ausschussmitglieder schien dies alles wenig zu beeindrucken. Sie warteten weiterhin geduldig auf die Zuarbeit der Behörden. So vergingen weitere Monate. Wenn Akten eintrafen, waren diese nicht selten bis zur Unlesbarkeit geschwärzt. Andere waren als derartig geheim eingestuft, dass sie weder in öffentlichen Sitzungen noch im Abschlussbericht des Ausschusses verwendbar sind. Für einen ernsthaften Willen zur Aufklärung, wie er von den Verfasser*innen des erwähnten Offenen Briefs eingefordert wurde, spricht dies nicht. Öffentlich wahrnehmbar kritisierten dieses Vorgehen bisher lediglich die Abgeordneten der Fraktion der LINKEN. 

Am 14. Juni und damit mehr als ein Jahr nach seiner Einsetzung tagte der PUA zum zweiten Mal öffentlich. Diesmal war es Antonia von der Behrens, Nebenklagevertreterin im Münchner NSU-Prozess, die zahlreiche Verbindungen des Terrornetzwerkes nach und in M-V aufzeigte. Sie war nicht die erste Expertin, die das Bundesland als eines der Schwerpunkte im NSU-Komplex bezeichnete, in dem es gleichzeitig einen besonders niedrigen Erkenntnisstand gibt.

Aktuell spricht wenig dafür, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird. Bei den ersten öffentlichen Zeug*innenvernehmungen im September und Oktober bestätigte sich lediglich, dass ein rassistisches Motiv für die ermittelnden Polizeibeamt*innen überhaupt keine Rolle spielte. Einige der gehörten Zeug*innen beriefen sich zudem – mehr oder weniger glaubhaft – auf erhebliche Erinnerungslücken.Außerdem kritisierten Mitglieder des Ausschusses eine Verzögerungstaktik des Innenministeriums, das ihnen weiterhin Akten vorenthält, die bereits vor über einem Jahr im Rahmen von Beweisbeschlüssen angefordert wurden.

Weitreichende Erkenntnisse und damit zukunftsweisende Ideen, wie rechtem Terror wirkungsvoller als in der Vergangenheit begegnet werden kann, sind so nicht zu erwarten. Im Herbst 2021 wählt Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Landtag. Bis dahin muss der Ausschuss seinen Abschlussbericht vorlegen. Sollte sich in dessen Arbeit nicht noch grundsätzliches ändern, wird er sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt her mehr als überschaubar ausfallen. Ob es in der folgenden Legislaturperiode, den politischen Willen bzw. die notwendigen Mehrheiten für einen erneuten Ausschuss zum Thema geben wird, muss stark bezweifelt werden. Nicht wenige Akteur*innen scheinen genau darauf zu setzen und auf Zeit zu spielen.