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Rassistischer Angriff verhandelt – Betroffener zuvor abgeschoben

vom 22. Dezember 2019 in Kategorie: Artikel

Bereits am ersten der zwei Verhandlungstage räumten die beiden 21- und 31-jährigen Männer die Taten teilweise ein – auch wenn einer der beiden seine Handlungen damit zu rechtfertigen versuchte, dass ihm einer der Betroffenen zuvor den Mittelfinger entgegengestreckt habe. Diese Geschichte konnte jedoch nicht einmal von anderen Personen aus der Gruppe der Angreifer glaubhaft bezeugt werden – und selbst wenn, wäre der Angriff bei einer solchen Geste nicht zu rechtfertigen gewesen, so die Staatsanwältin. Die Stimmung der Gruppe wurde jedoch durch die Aussagen der eingesetzten Polizeibeamt*innen deutlich. Sie berichteten, dass der 21-Jährige Tony K. sich bei ihrer Ankunft in »aufgeplusterter« Pose vor sie stellte und von seinen Freunden beruhigt werden musste. Als die beiden Betroffenen wieder hinzu kamen, fielen in Anwesenheit der Polizei weitere rassistische Beleidigungen.

Welche Folgen die Attacke für die Betroffenen hatte, legte einer der beiden, der auch als Nebenkläger im Verfahren auftrat, vor Gericht offen. Der 27-Jährige schilderte den Hergang ruhig und sachlich und machte deutlich, dass für ihn nur ein rassistisches Motiv in Frage kommt. Er machte auch klar, dass er sich nicht wegen seiner Hautfarbe beleidigen lasse, denn er sei stolz darauf »Schwarz« zu sein. Er schilderte außerdem eindrücklich wie er, nachdem die Fahrräder ins Wasser geworfen wurden, dachte, er wäre als nächstes dran. Da er nicht schwimmen könne, fürchtete er um sein Leben. Er berichtete auch, dass er seit dem Vorfall immer noch Alpträume habe. 

Besonders beunruhigend sei der Umstand, dass er einem der beiden Angreifer weiterhin begegnen müsse und dieser ihm vor der Verhandlung sogar noch gedroht habe. Das Verfahren gegen K. wurde im Verlauf der Verhandlung abgetrennt und ruht seitdem. Zunächst soll ein Gutachten klären, ob seine erheblich verminderte Intelligenz möglicherweise die Schuldfähigkeit in Frage stellt. 

So wurde am 27. Juni schließlich nur der 31-Jährige Maik M. wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. In das Strafmaß flossen weitere Taten mit ein. Eine positive Prognose, die eine Aussetzung der Haft auf Bewährung rechtfertigen würde, konnte das Gericht dem mehrfach vorbestraften Mann nicht zugestehen. Das offensichtliche rassistische Tatmotiv wurde dagegen nicht strafschärfend berücksichtigt. M., der seine rechten Tätowierungen während der Verhandlung stets abgeklebt hatte, legte gegen das Urteil Berufung ein.

Die Perspektive des zweiten Betroffenen, der ebenfalls als Zeuge aussagen sollte, fehlte vor Gericht. Dieser wurde einige Tage zuvor aus Deutschland abgeschoben. Es wurde lediglich seine bei der Polizei getätigte Aussage vorgetragen. In der Regel ist eine bevorstehende Verhandlung ein Abschiebungshindernis, allerdings war diese der Ausländerbehörde wohl nicht bekannt.  

Dem Prozess ging neben dem bundesweiten Interesse am Übergriff eine zum Teil relativierende und tendenziöse Berichterstattung in der Regionalpresse voraus. So wurde trotz rassistischer Äußerungen das Motiv angezweifelt und der Angriff auf die Alkoholisierung oder kriminelle Vorgeschichte der Täter zurückgeführt. Außerdem wurde gemutmaßt, dass die Betroffenen wegen fehlender Deutschkenntnisse falsch verstanden haben könnten, was die Angreifer sagten. Berichtet wurde auch von einer Entschuldigung, die die Betroffenen von den Tätern erhalten und angenommen hätten. Dies wurde zumindest von dem Betroffenen, der vor Gericht erscheinen konnte, nicht bestätigt. Vielmehr berichtete er eben von den anhaltenden Bedrohungen durch einen der Täter. Es ist die rassistische Dimension des Angriffs, die für den Betroffenen konkrete Folgen hat und es ihm erschwert, seinen Alltag ohne Angst zu bestreiten – nicht die Zugehörigkeit der Angreifer zu einem vermeintlichen Milieu, wie in der Lokalpresse dargestellt.