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Unter Nachbarn

vom 15. Mai 2014 in Kategorie: Artikel

Antipolnische Ressentiments haben sehr tiefe historische Wurzeln und scheinen im Osten des Landes besonders fest verankert. Befeuert werden sie nicht selten durch die lokale Presse. Beinahe wöchentlich finden sich Berichte über verängstigte Bauern und UnternehmerInnen, die, besorgt um ihr Hab und Gut, zur Selbsthilfe greifen. Polizeimeldungen aus der Grenzregion beschränken sich zumeist auf Diebstähle; und allein die Nähe zur Grenze lässt Spielraum für Gespinste unbändiger Bandenkriminalität aus dem Osten. Finden sich TäterInnen, wird deren Nationalität nur dokumentiert, wenn sie nicht-deutscher Herkunft sind. Ungeachtet der Tatsache, dass sich Kriminalität überall in Europa zunehmend grenzüberschreitend darstellt, wird so ein Empfinden der Grenzregion als rechtslosem Raum befördert.
Das subjektive Angstgefühl, das die Feindseligkeit gegenüber PolInnen herbeiführt, ist somit kein auf die rechte Szene beschränktes Problem. Schließlich versuchte selbst der Amtsausschuss Löcknitz-Penkun im November vergangenen Jahres auf die vermeintliche Bedrohung zu reagieren, indem er sich für den Einsatz einer Bürgerwehr aussprach. Erst durch Intervention vom Landkreis, verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteuren und sogar der Landesregierung konnte eine Aufklärung der von Vorurteilen geleiteten Initiative herbeigeführt werden. Dennoch bekommt das Angst-Szenario immer wieder Futter. Diese Stimmung wird von der NPD, die seit Jahren den Nährboden für antipolnisches Klima bereitet hat, immer wieder gerne aufgegriffen. In jedem Wahlkampf bemüht die Partei, deren nordwestmecklenburgisches Ex-Landesvorstandsmitglied Sven Krüger am anderen Ende des Bundeslandes bis vor kurzem noch wegen Hehlerei im Gefängnis saß, das Feindbild der östlichen Nachbarn als
kleinsten gemeinsamen Nenner der BürgerInnen in der Grenzregion. 2009 wollten sie die »Polen-Invasion«, 2011 den »Atomtod aus Polen« stoppen. Und immer wieder die Forderung, die Grenze zu schließen – »Polen offen? Arbeit Futsch! Auto weg!«, so die einfache Formel. Dass die polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr sogar einen Rückgang der Diebstähle feststellt und eine überragende Mehrheit der Tatverdächtigen Einheimische sind, verschweigt nicht nur die NPD, sondern auch die Gewerkschaft der Polizei, die in einem Brief an das Landesinnenministerium die diffusen Ängste nutzbar machen wollte, um weiterem Stellenabbau in der Region vorzubeugen. Stattdessen muss dann eben die Wohnungseinbruchsstatistik herhalten, die mit einem Anstieg aufwarten kann. Dass die hinreichend beklemmende Stimmung auch sehr schnell in Gewalt umschlagen kann, zeigte sich nicht nur im brandenburgischen Kremmen. Im Oktober 2013 wurde ein Mann auf einer Landstraße im Kreis VorpommernGreifswald von Neonazis ausgebremst und geschlagen. Den Tätern hat das polnische Kennzeichen seines PKW offenbar zur Motivation gereicht. Eine aus Polen stammende Frau berichtete gegenüber der LOBBI, antipolnisch beleidigt und so heftig gepackt worden zu sein, dass Hämatome an ihren Armen zurück blieben. Auch wenn derartige Übergriffe eher die Ausnahme sind und die Vorurteile sich unterhalb der Schwelle zur Gewalt entladen, wird den polnischen MitbürgerInnen und NachbarInnen vielerorts mit rassistischem Misstrauen begegnet. Ein in Löcknitz eingesetzter Präventionsrat will sich nun verstärkt den Themen Demokratie, Toleranz und rechter Ideologie widmen. Ob sich allein damit die Grenzen in den Köpfen überwinden lassen, bleibt abzuwarten.

Verwiesen sei an dieser Stelle dennoch ausdrücklich auf zum Teil langjährige Projekte deutsch-polnischer Verständigung, wie das leider nicht mehr geförderte Projekt der RAA, “Perspektywa”, oder die Euroregion Pomerania. Auch der Nordkurier zeigte sich nach Redaktionsschluss der perspektiven 11 bemüht, die andere Seite der “grenzüberschreitenden Kriminalität” darzustellen.